Bankenscore Blog

Bonitätsplattformen verändern die Geschäftswelt des Mittelstands – eine wissenschaftliche Betrachung


Ein Beitrag von Prof. Dr. Gösta Jamin

Mehr Ratingtransparenz und günstigere Finanzierungsbedingungen für KMU durch Bonitätsplattformen

Die Corona-Krise hat viele Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gebrachten und wird noch viele Monate die Geschäfte belasten. Umso wichtiger ist es derzeit für Unternehmer und Selbstständige sich mit den eigenen Finanzen auseinanderzusetzen, um zukünftige finanzielle Engpässe zu vermeiden und sich in eine gute Verhandlungsposition gegenüber Banken zu bringen. Es ist davon auszugehen, dass nach der kurzfristigen Flutung durch die KfW, viele Unternehmen erhöhten Liquiditätsbedarf haben werden.

Doch wie können Unternehmer hier klug handeln? Denn gerade in Kleinstädten und auf dem Land sehen sich KMU häufig einem Duopol aus lokaler Sparkasse und VR-Bank gegenüber, das die mögliche Auswahl zwischen Finanzierungspartnern einschränkt und somit die Preise/Kosten eines Kredites erhöht.

Banken vs. KMU: fehlender Einblick in wichtigen Prozess

Wesentlicher Treiber für die Kreditentscheidung von Banken und die Höhe der Kreditzinsen ist die im Rahmen des Bankratings durchgeführte Bonitätsbewertung des Kreditantragsstellers. Hierbei kombiniert die Bank einerseits interne Finanzdaten des Unternehmens mit extern vorliegenden Informationen der Wirtschaftsauskunfteien. Durch die Analyse einer Vielzahl von bonitätsrelevanten Informationen wie Geschäftszahlen, Kontoumsätzen, Lebenslauf des Inhabers, etc. verschafft sich eine Bank einen Überblick über das zu erwartende Kreditrisiko des Unternehmens. Andererseits erhält der Kreditnehmer allerdings keine Transparenz über das Zustandekommen und auch das Ergebnis des durchgeführten Ratings und welche Möglichkeiten eventuell bestehen könnten, dieses zu verbessern um bessere Kreditkonditionen zu erhalten.

An dieser Asymmetrie im Verhältnis zwischen Bank und KMU setzt das neue FinTech-Geschäftsmodell der Bonitätsplattformen an. Der Mehrwert einer Bonitätsplattform ist mehrstufig zu verstehen. Im ersten Schritt besteht er darin, dem Nutzer das Zustandekommen seiner Unternehmensbonität transparent zu machen, ihm Möglichkeiten zur Verbesserung der Unternehmensbonität aufzuzeigen und ihm bonitätsgefilterte Kreditangebote von unterschiedlichen Finanzierungspartnern zukommen zu lassen, die er tatsächlich bekommen kann. Im zweiten Schritt begleitet eine Bonitätplattform einen Nutzer über Zeit und kann im helfen, seine Bonität über Zeit immer weiter zu verbessern. Für junge oder finanziell schwächere Unternehmen ist dies wichtig, da diese nur schwer an klassische günstige Kredite gelangen können, wie eine Hausbank sie anbietet. Aber auch etablierte Unternehmen mit bereits stabilen Finanzen können profitieren, da sie in eine noch besser Verhandlungsposition gegenüber ihrer Hausbank und auch anderen Geschäftspartnern kommt. Auch gegenüber Großkunden oder Lieferanten hilft eine gute Unternehmensbonität, z.B. bei Zahlungszielen oder finanziellen Garantien.

Zahlreiche erfolgreiche Anbieter, große Nachfrage in Amerika und Großbritannien

Die wesentlichen Player in diesem Bereich sind in Deutschland BankenScore für KMU und bonify oder Scorekompass für Privatpersonen. Nachdem sich in den vergangenen Jahren in zahlreichen Branchen Marktplatz-Geschäftsmodelle wie beispielsweise Compeon, Fincompare, Check24 oder Finanzcheck entwickelt haben, welche sich auf den schnellen Kreditabschluss fokussierten und dem Nutzer wenig längerfristige Hilfestellung anbieten konnten, schicken sich Bonitätsplattformen an, für eine längerfristige Kundenbindung und daher auch radikalere Transformation des Kreditgeschäfts zu sorgen.

So gibt es in den USA schon seit vielen Jahren das Unternehmen Creditkarma mit über 100 Millionen registrierten Nutzern (B2C), welches Konsumenten per Webseite kostenlosen Zugriff auf ihre Bonität und passende Finanzangebote gibt. Für amerikanische KMU gibt es ebenso seit mehreren Jahren den Anbieter Nav.com, welcher über 1 Milllionen Geschäftskunden bonitätsbasierte Finanzprodukte anbietet. Beide Modelle sind mittlerweile fester Standard beim Arbeiten mit den eigenen privaten bzw. geschäftlichen Finanzen. Auch in Großbritannien gibt es mit Clearscore einen etablierten Anbieter im Konsumentenbereich mit mehreren Millionen registrierten Nutzern.

Die erfolgreiche amerikanische Bonitätsplattform Nav

Im Folgenden soll die Funktionsweise einer Bonitätsplattform am Beispiel von BankenScore aufgezeigt werden. Nach Registrierung besteht die Möglichkeit, bei Kreditauskunfteien (CRIF Bürgel und Creditreform) gespeicherte Bonitätsinformationen einzusehen und zu korrigieren. Für KMU werden durch die Wirtschaftsauskunfteien Angaben aus dem elektronischen Bundesanzeiger, zum Zahlungsverhalten des Unternehmens, aus Inkassodate sowie aus einer weiteren Vielzahl von Datenpunkten ausgewertet. Welche Variablen genau verwendet werden wie miteinander korrelieren, ist das Geschäftsgeheimnis der Auskunfteien. Wichtig ist, dass Bankenscore nicht nur die Unternehmensbonität darstellt, sondern auch die private Bonität, weil Banken bei ihren Ratings immer auch die Person betrachten, die das Unternehmen vertritt. Hat etwa ein Geschäftsführer negative Merkmale wie eine Privatinsolvenz oder Inkassoeinträge, so wird ein Kredit mit hoher Wahrscheinlichkeit verweigert. Häufig wird auch eine private Bürgschaft verlangt, was ebenso eine private Bonitätsprüfung erfordert.

Existierende Bonitätsdaten erweitert mit tagesaktuellen Kontodaten

Weiterhin bietet BankenScore die Möglichkeit, Kontoumsatzdaten aus den Online-Banking-Zugängen mittels API-Schnittstelle einzulesen und auf deren Basis einen Verhaltensscore über das Kontonutzungsverhalten zu ermitteln. Die Bereitstellung solcher Daten durch die kontoführende Bank ist seit Einführung der PSD2-Richtlinie in der EU verbindlich zu gewährleisten. Der Grundgedanke hierbei ist, dass die Nutzerbonität umso besser ermittelt werden kann, je mehr Informationen dieser über sich bereitstellt, und auf diese Weise eine digitale Kreditmappe entsteht. Kontoumsatzdaten stellen dabei eine extrem wertvolle Information dar und sind auch ein wesentlicher Input für die Bewertung der Bonität durch eine Bank. Zusätzlich können noch Dokumente zu den Jahresabschlüssen hochgeladen werden, womit das Gesamtbild zur Unternehmensbonität weiter verbessert wird.

Schon gewusst? Geschäftliche und private Bonität werden von Banken betrachtet

Ein erster Vorteil für den Nutzer besteht nun in der erzielten Transparenz über die eigene Unternehmensbonität auf Basis der in Wirtschaftsauskunfteien gespeicherten und sich aus den eigenen Kontoumsätzen ergebenden Informationen. Da häufig bis zu 30% der eigenen Daten falsch sein können, entsteht für den registrierten Nutzer ein unmittelbarer Mehrwert. Dies wird angereichert durch qualitative Angaben, welche Relevanz die ermittelten Bonitätsinformationen haben, wie sie zustande kommen und welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt.

Bonitätsbasierte Kredite statt Lockvogelangebote

Längerfristige Optimierung zur Senkung von Kosten und Verbesserung der Verhandlungsposition bei Banken

Ein zweiter Vorteil besteht in der Möglichkeit basierend auf der heutigen Bonität vorgefilterte Kreditangebote von mehreren Finanzierungspartnern über BankenScore zu erhalten. Damit würden nur solche Angebote angezeigt werden, die angesichts der Nutzerbonität auch tatsächlich erhältlich sind, was die Suchkosten des KMU nach einem geeigneten Kredit reduzieren würde und Enttäuschungen zu vermeiden hilft, wenn ein nicht-bonitätsgefiltertes besonders günstiges Lockvogelangebot mit der eigenen echten Bonität gar nicht zu erreichen ist. Auf diese Weise hat ein KMU permanent Transparenz darüber, zu welchen Konditionen und in welchem Umfang es aktuell Finanzierungsmittel abrufen könnte. In Amerika spricht man hier von M-a-a-S, Money-as-a-Service. Dies könnte bei der strategischen Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens und der schnellen Nutzung von Investitionschancen nutzen.

Neben diesem unmittelbaren Nutzen besteht ein weiterer längerfristiger Mehrwert von BankenScore darin, dem Nutzer fortlaufend als Bonitäts- und Kreditmanager zur Verfügung zu stehen. Konkret bedeutet dies: Ein Nutzer kann also eine Bonitätsplattform längerfristig nutzen, um immer wieder seine aktuellen von den Auskunfteien erfassten Daten zu prüfen. Verbessert sich dann über Zeit die eigene Unternehmensbonität, so profitiert der Nutzer von verbesserten Kreditangeboten und günstigeren Zinsen. Dieses Argument überzeugt, da kein anderes Modell einen automatisierten längerfristigen Ansatz dieser Art von Kundenbindung basierend auf umfassenden Finanzdaten anbietet.


Eine Weiterentwicklungsmöglichkeit für BankenScore besteht darin, den KMU bei der weiteren Professionalisierung ihres Finanz- oder auch Risikomanagements zu helfen. So hat die amerikanische Creditkarma etwa ein Tool eingebunden, welches es Konsumenten erlaubt ihre Kontodaten für Steuerzahlungen mit nur wenigen Klicks zu erfassen. Im geschäftlichen Bereich könnte etwa die zielgerichtete Absicherung von Risiken beispielsweise mit Hilfe von geeigneten Versicherungslösungen wie Haftpflicht-, Inhalts-, Ausfall- oder Rechtsschutzversicherungen das Risikoprofil eines KMU aus Sicht von Kreditgebern verbessern. Somit könnte BankenScore. einen Risikocheck anbieten, in dem aufgezeigt wird, welchen Risiken das Unternehmen unterliegt und wie diese Risiken abgesichert werden könnten. Hierdurch ergeben sich neue Geschäftschancen für Versicherer, denen Versicherungsanfragen von Nutzern zugesteuert werden, die sich aus dem Risikocheck abgeleitet haben.

Bonitätsplattformen wie BankenScore bieten mittelfristig ein erhebliches Potenzial für eine höhere Effizienz im Kreditgeschäft. Durch eine höhere Transparenz über die eigene Bonität und das Aufzeigen von Möglichkeiten für eine Verbesserung derselben könnten die Refinanzierungskosten für KMU gesenkt und Kreditspielräume erweitert werden. Dies hätte zudem den volkswirtschaftlichen Vorteil einer Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Investitionsquote in der deutschen Volkswirtschaft. KMU würden Zugang zu einer standardisierten Form von Rating Advisory erhalten, einer Leistung die bisher nur größere Unternehmen bei Ratingverfahren in Anspruch nehmen können. Diese Leistung könnte in Zukunft nicht nur anlass- und nachfragebezogen zur Verfügung gestellt werden sondern fortlaufend und automatisiert, wodurch die eigene Bonität und der sich ergebende Kreditspielraum als strategische Ressource bei der Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens zielgerichtet genutzt werden könnte. Für an die Bonitätsplattform angeschlossene Banken ergibt sich die Chance auf eine Senkung ihrer Vertriebskosten, da bonitätsrelevante Informationen bereits auf der Plattform hinterlegt sind und nicht mehr separat vom Kunden abgefragt werden müssen. Zudem kann gezielt nur solchen Unternehmen ein Kreditangebot gemacht werden, die den Bonitätsanforderungen der Bank entsprechen, was hilft die Kreditablehnungsquote und damit Kosten zu reduzieren.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass eine Bonitätsplattform wie BankenScore erhebliches disruptives Potenzial entfalten kann. Banken werden in Zukunft mit der Situation konfrontiert sein, dass ihre Kunden besser über ihre Bonität informiert sind und mehr Transparenz über die Einschätzung der Bank und die damit verbundenen Folgeentscheidungen wie Kreditzusage oder Höhe der Kreditzinses erwarten. Gleichzeitig bietet sich ihnen aber auch ein Potenzial zur Senkung von Kosten und zur Expansion in Regionen und Segmente, in denen sie bisher nicht mit ihrem eigenen Vertrieb vertreten waren. Nicht zuletzt bietet eine Bonitätsplattform die Chance, KMU für das Thema professionelles Risikomanagement zu sensibilisieren und damit Potenziale für den Vertrieb weiterer relevanter Finanz- und Versicherungsleistungen zu schaffen.


Prof. Dr. Gösta Jamin

Der Autor Prof. Dr. Gösta Jamin ist Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Hochschule Ludwigshafen. Bei Bankenscore ist er als COO zuständig für Partnerschaften mit Banken und ähnlichen Finanzanbietern.